Erfolgreiche Elterngespräche führen

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Erfolgreiche Elterngespräche führen

Ein Projektbericht von Marco Hajart, Dr. Christine Paul und Dr. Irene Somm vom Netzwerk Handlungsforschung und Praxisberatung und der Universität zu Köln

Vernachlässigte Professionalisierung

Es ist fast schon ein Gemeinplatz unter Lehrpersonen: Eine konstruktive Zusammenarbeit mit Eltern ist bedeutsam für die schulische Laufbahn der Kinder. Zugleich äußern Lehrerinnen und Lehrer häufig Leidensdruck und Ärger hinsichtlich dieser Kooperationsbeziehungen. Und dennoch wird der Professionalisierung von Beratungsgesprächen mit Eltern in der Aus- und Fortbildung von Lehrpersonen bislang ein eher geringer Stellenwert zugemessen.

Einem vergleichbaren Phänomen sind wir in unseren Beobachtungsstudien im Feld der Kinder- und Jugendmedizin begegnet (2018). Unter Rückgriff auf diese Erkenntnisse haben wir folgende Thesen für das schulische Handlungsfeld entwickelt:

  • Die Probleme in der Kommunikation mit Eltern werden in der schulischen Praxis noch zu selten mit potenziellen Kompetenzdefiziten bei Lehrpersonen in Verbindung gebracht. Eher erfolgt eine selbstwertdienliche Externalisierung, wonach elterliches Verhalten generell (zunehmend) als problematisch gilt, unabhängig vom Agieren der Lehrerinnen und Lehrer.
  • Im beruflichen Selbstverständnis – inkorporiert und tradiert als Habitus – gilt der Bildungsauftrag gegenüber dem Kind als Kernaufgabe. Vor diesem Hintergrund wird das Elternhaus primär in den Kategorien „unterstützend“ oder „störend“ wahrgenommen (Anpassungserwartung).
  • Vereinzelt bereits bestehende Fortbildungsangebote zum Thema vermitteln ein eher technizistisches Verständnis von Kommunikation. Demzufolge vermag die Lehrperson mittels einzelner Gesprächstechniken den „Störfall Eltern“ besser handzuhaben, um die eigenen Ziele zu verfolgen.

Auch vermitteln entsprechende Fortbildungsangebote bisher kaum Wissen über die Reproduktionsmechanismen von sozialer Ungleichheit im Kontext der Schule. Genau dieses Wissen könnte aber die Kommunikationsprobleme mit sozial benachteiligten Elternmilieus wesentlich erhellen.

Zielsetzungen des Projekts

Zwar gibt es bereits verschiedene Studien zum Thema schulischer Elterngespräche, allerdings fehlt diesen regelmäßig ein Anschluss an bzw. eine Übersetzung der Erkenntnisse in die Praxis. In diesen Arbeiten beschriebene Gesprächsmuster werden vor allem anhand normativer Maßstäbe (kritisch) bewertet, die aus abstrakten (Ideal-)Modellen abgeleitet und/oder aus anderen Fachlogiken (Psychologie, Soziologie etc.) übertragen werden. Hier setzt unser Vorhaben an: Mithilfe von Methoden der rekonstruktiven Gesprächsforschung (2008; 2019) sollen artikulierte Ziele sowohl der Lehrpersonen wie auch der Institution Schule an der konkreten Umsetzung in den Gesprächen gespiegelt und auf dieser Grundlage funktionale sowie dysfunktionale Interaktionsmuster erfahrener Lehrpersonen identifiziert werden. Ziel ist es, Gelingensbedingungen einer guten Praxis zu formulieren und gangbare Wege der Professionalisierung aufzuzeigen.

Aufzeichnung von schulischen Elterngesprächen

Im Rahmen ihres Praxissemesters haben sich einige Studierende der Uni Köln für die Mitwirkung im Projekt „schulische Elterngespräche“ entschieden: Dabei wurden und werden Elternsprechtagsgespräche – bislang v.a. an weiterführenden Schulen – aufgezeichnet und im Anschluss kurze Nachgespräche mit Eltern geführt. Weniger die Eltern als vielmehr die Lehrerinnen und Lehrer zeigen sich zurückhaltend in der Bereitschaft, ihre Gespräche auf Tonband aufzeichnen zu lassen. Gründe werden verschiedene genannt – mal sind sie nachvollziehbar, mal weniger. Allerdings: Diejenigen, die sich zu einer Teilnahme entschieden haben, äußern sich im Nachgang durchweg positiv zu dieser Erfahrung. Dazu weiter unten mehr.

Einige Ergebnisse

Weil Lehrerinnen und Lehrer in der Ausbildung kaum auf das Führen von Beratungsgesprächen vorbereitet werden, ist das „Wie“ der Gesprächsführung zumeist Folge eines Prozesses, in welchem man zu Beginn der beruflichen Laufbahn ins kalte Wasser geworfen wird und sich anschließend bestimmte Routinen aneignet, um diese (Gesprächs-)Situationen zumindest irgendwie bewältigt zu bekommen. Routinen sind dabei einerseits entlastend und insofern unabdingbar, aber sie können auch blind machen für das Potenzial solcher 10-Minuten-Gespräche sowie für ihre nicht-beabsichtigten Wirkungen.

Unter dem Brennglas der Interaktionsanalyse werden die mit den Gesprächen verbundenen komplexen Herausforderungen (wieder) freigelegt und sichtbar gemacht. So sind Lehrerinnen und Lehrer bspw. damit konfrontiert, zwischen den eigenen Anliegen, denen der Eltern und denjenigen der – zumeist anwesenden – Kinder eine Balance zu finden. Hier beobachten wir etwa, wie Lehrerinnen und Lehrer es zwar immer wieder schaffen, zurückhaltende oder skeptische Eltern „ins Boot“ zu holen bzw. sich mit diesen zu solidarisieren. Regelmäßig wirkt dies dann allerdings wie ein Verbünden auf Kosten der anwesenden Jugendlichen, die mit ihren ohnehin schon karg artikulierten Anliegen, Bedürfnissen und Gefühlen im Gesprächsverlauf gänzlich untergehen.

Ebenso konnten wir immer wieder beobachten, wie Eltern in den Gesprächen gegenüber den Lehrerinnen und Lehrer eine ausgeprägte Überforderung, Hilf- und Ratlosigkeit ob der erlebten Situation mit ihren Kindern (gerade etwa in der Pubertät) artikulieren. Dies kann einerseits zweifelsohne als ein Zeichen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen diesen Eltern und den Lehrerinnen und Lehrer gesehen werden, stellt letztere aber andererseits auch vor die Herausforderung, wie mit solchen – zumeist eher indirekt geäußerten – Signalen elterlicher Überforderung umgegangen werden kann.

Feedback an die teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer

Im Rahmen des Projekts erhalten alle Teilnehmer:innen von uns ein individuelles Feedback zu ihren Gesprächen. Dabei wird mit Auszügen aus ihren eigenen Beratungsgesprächen gearbeitet. Dies ermöglicht den Lehrerinnen und Lehrer,

  • ihr Handeln im Hinblick auf eigene Ansprüche an derartige Gespräche zu reflektieren (bspw.: wenn ich eigentlich die Schülerinnen und Schüler stärker an den Gesprächen beteiligen möchte, jedoch regelmäßig merke, dass diese gleichsam ‚verstummen‘),
  • auch den eigenen Beitrag zu derartigen unerwünschten oder gar nervenaufreibenden Erfahrungen zu erkennen (gibt es etwa ein bestimmtes Frage- bzw. Gesprächsverhalten, das ich immer wieder zeige und in dessen Folge sich die Schülerinnen und Schüler vielleicht erst aus dem Gespräch zurückziehen?),
  • im Austausch gemeinsam darüber nachzudenken, wie man anders vorgehen könnte, um im besten Fall mehr zu erreichen und nicht zuletzt
  • in den Blick zu bekommen, wo die eigenen Stärken liegen, was gut funktioniert

Wohin geht die Reise?

Aufgrund der positiven Rückmeldungen der teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer entwickeln wir Coaching-Modelle für Einzelpersonen bzw. Kleingruppen und konzipieren eine praxisnahe Fortbildung zu diversitätssensibler Elternberatung für Schulen. Denn unsere Überzeugung ist: Forschung kann Praxis inspirieren und voranbringen, wenn sie die Erkenntnisse so beim Namen nennt, dass sie weder Abwehr erzeugen noch demotivieren, sondern umgekehrt die Zuversicht stärken, dass es sich lohnen könnte, dort Energie zu investieren, wo Veränderung am ehesten möglich ist. Denn es gilt, wie überall: Man kann andere nicht verändern, aber man kann das eigene Verhalten ändern, um eine andere Reaktion zu erhalten.

Bedarfsorientiertes Inhouse-Seminar für Ihre Schule

Mit dem Inhouse-Seminar „Erfolgreiche Elterngespräche führen“ bieten wir Ihnen und Ihrem Kollegium die Möglichkeit, Ihre Kompetenzen im Kontakt zu Eltern zu erweitern. Das Seminar ist individuell auf das Kollegium und die Herausforderungen Ihrer Schule abgestimmt und wird auf Basis des Erfahrungs- und Kenntnisstands der Lehrkräfte durchgeführt. Zeit und Umfang des Seminars richten sich nach Ihren Bedarfen und Kapazitäten.

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Lisa Alt

Bildungsreferentin